Mehr Teilnahme am sozialen Leben, mehr Chancen in der Berufswelt, mehr Kultur. Das Internet ermöglicht uns allen genau diese Vorteile. Menschen mit Behinderungen verschafft es zudem ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit. Umso wichtiger, dass das Internet auf möglichst vielen Wegen barrierefrei ist.
Kurz eine E-Mail checken, den Kontostand prüfen, das Nachrichtengeschehen im Auge behalten – am Liebsten mobil auf dem Smartphone oder dem Tablet. Für Menschen ohne Behinderung stellt das alles kein Problem dar. Menschen mit Behinderungen haben damit jedoch oft Probleme. Ein Tablet benutzen ist meist nicht möglich, weil die Haptik fehlt. Die Umrisse der Tasten – bei Touchscreens nicht vorhanden. Normale Tastaturen ermöglichen Blinden wenigstens den Zugang zum weltweiten Netz, wenn jedoch die Seitenbetreiber ihre Seiten nicht barrierefrei gestalten, wird es auch hier schwierig.
Gesetz zur Barrierefreiheit
Seit 2002 gibt es ein Gleichstellungsgesetz in Deutschland, das zumindest staatliche Einrichtungen dazu verpflichtet, ihre Angebote barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Alle anderen Anbieter werden zwar gebeten, dies zu tun. Verpflichtend ist es aber nicht. Was bedeutet „barrierefrei“ eigentlich? Ähnlich wie im täglichen Leben, wo zuweilen Rampen oder Aufzüge fehlen, gilt es auch in der digitalen Welt, Barrieren zu überwinden. Durch barrierefreies Webdesign werden Texte für Blinde beispielsweise vorgelesen und Bilder ganz genau beschrieben. Menschen mit Lese- oder Lernschwäche kann eine leicht verständliche Sprache als alternativer Text helfen.
Apple setzt Barrierefreiheit vorbildlich um
Ein Vorreiter in Sachen Barrierefreiheit ist das Unternehmen Apple. Ein nicht sehender Mensch hat bei der Einrichtung eines Macs zum Beispiel weniger Probleme, weil das Gerät schon beim ersten Start fragt, ob der Bildschirm gesehen werden kann. Falls nicht, hilft eine Tastenkombination, und der User wird per Sprachbefehl durch den Einrichtungsvorgang geleitet. Beeindruckend sind auch die Fähigkeiten der eingangs schon erwähnten Touchscreen-Geräte. Hier kann der Befehl „Voice-Over“ aktiviert werden. Wischt man mit zwei Fingern von oben nach unten, wird der Bildschirminhalt vorgelesen. Sogar Fotos können gemacht werden. Eine App erkennt, wie viele Personen auf dem Bild sind und ob auch alle lächeln.
Barrierefreiheit: Immer wichtiger
Dass Handlungsbedarf in Sachen Barrierefreiheit besteht, zeigen unter anderem die unten stehenden Zahlen. In der Tabelle sind nur die Menschen mit Behinderungen aufgeführt, die eine Sehschwäche, Sprach- oder Hörstörungen, Lähmungen oder eine geistige Beeinträchtigung haben. Die Zahl der Menschen mit anderweitigen Behinderungen ist viel höher.
Anzahl der schwerbehinderten Menschen in Deutschland nach Art und Ursache der Behinderung | |||||
Art der Behinderung | Angeborene Behinderung | Arbeitsunfall, Berufskrankheit | Verkehrsunfall | Häuslicher Unfall | Sonstiger Unfall |
Blindheit oder Sehbehinderung | 12.246 | 2.243 | 984 | 420 | 1.405 |
Sprach- und Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen | 25.581 | 1.158 | 202 | 90 | 203 |
Querschnittslähmung, zerebrale Störungen, geistig-seelische Behinderungen, Suchtkrankheiten | 166.323 | 7.080 | 11.197 | 1.383 | 5.175 |
Tabelle: Die Statistik zeigt einen Auszug über die Anzahl der schwerbehinderten Menschen in Deutschland nach Art und Ursache der Behinderung im Jahr 2013. Quelle: Statistisches Bundesamt / Statista
Wie funktioniert Barrierefreiheit?
Ein Weg zur barrierefreien Nutzung des Netzes sind Apps. Gerade weil das Internet heutzutage nicht mehr ausschließlich am heimischen PC genutzt wird, sondern immer mehr auch via Smartphone unterwegs, sind diese Apps besonders wichtig. Für Gehörlose werden zum Beispiel spezielle Apps angeboten, die den angezeigten Text vorlesen. Doch nicht nur das: Einige Apps fungieren quasi als Sprach-Dolmetscher. Vor allem wichtig für Menschen, die sich sprachlich nicht mitteilen können. Damit können beispielsweise Vorlesungen an der Uni verfolgt werden. Auch Arztbesuche werden damit leichter erledigt. Außerdem:
- Eine App für Rollstuhlfahrer zeigt, wo es zugängliche Orte gibt. Cafés, Kinos und viele weitere Orte werden so leichter gefunden.
- Apps zur grafischen Erkennung kombinieren Sprachausgabe mit Grafiken. Auf Fingertipp liest das Smartphone den Text vor. Alltagsaufgaben erledigen sich dadurch leichter.
- Es werden Apps zum Bestellen von Taxis angeboten. Musik-Streaming, Spiele – all das wird längst auch für Menschen mit Beeinträchtigungen angeboten.
Nutzung des Internet durch Behinderte – Kaum Unterschiede
Wer das Internet wie, wo und warum nutzt – darüber gibt es zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen kaum einen Unterschied. Am Beispiel der Nutzung durch Blinde in unserer Grafik sieht man, dass die Interessen absolut gleich sind.
Teure Hardware
Um beeinträchtigten Menschen den Umgang mit der digitalen Welt noch einfacher zu machen, bieten einige Hersteller spezielle Hardware an. So gibt es beispielsweise für Blinde so genannte „Braille-Tastaturen“. Braille nennt man die Punktschrift, auch Blindenschrift genannt. Diese Tastaturen können an die Endgeräte, wie etwa Handy, Notebook oder PC, angeschlossen werden. Damit können ebenfalls sämtliche Lesesysteme gesteuert werden. Texte schreiben, Nachrichten verschicken – all das ist kein Problem. Der Nachteil: Die Geräte sind teuer! Preise um 2.000 Euro und mehr sind keine Seltenheit.
Eine Alternative dazu sind Standard-Tastaturen, auf denen die Braille-Schrift bereits aufgedruckt ist. Es gibt auch spezielle Folien mit genau dieser Schrift für Blinde, die einfach über die vorhandene Tastatur gelegt wird. Auch das funktioniert und ist wesentlich günstiger.
Mehr Selbstbewusstsein durch bessere Technik
Wo sich früher nur wenige Menschen mit Behinderungen beschwert haben, wenn eine Webseite nicht barrierefrei war, sind es heute ganze Communities, die sich oft gemeinsam an die Entwickler wenden, um diese auf die schlechte Zugänglichkeit ihrer Seiten oder Apps aufmerksam zu machen. Das selbstbewusste Auftreten hat sich im Laufe der Jahre verstärkt. Mehr noch: Viele beeinträchtigte Smartphone-Nutzer entwickeln immer neue Ideen, um das digitale Leben zu erleichtern. Ein Programmierer hat zum Beispiel eine Anwendung entwickelt, die das Handy zum Hörgerät macht. Ein blinder Physiotherapeut hat eine Halterung gebastelt, um das iPhone als Scanner zu benutzen.
Barrierefreiheit, ganz egal ob online oder im realen Leben, geht uns alle an. Gut zugängliche Gebäude, leichte Sprache oder die Kommunikation über den Computer – wer weiß, wann Sie womöglich einmal darauf angewiesen sein werden. Tatsache ist: Nur etwa vier Prozent aller Behinderungen sind angeboren.
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