Brüssel () – Die scheidende Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager fordert von den Europäern mehr Selbstbewusstsein angesichts der aktuellen Krisen. „Wir müssen uns überwinden und sagen: Das sind keine dunklen Zeiten. Es sind schwierige Zeiten“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstagausgabe). „Und deshalb müssen wir uns besonders anstrengen.“
Die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie akute Probleme schnell lösen könne. Beispiele dafür seien die Impfstoff-Verteilung in der Pandemie, die Reaktion auf die Gaskrise und die Aufnahme von Millionen ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Um innovativer zu werden, solle sich Europa auf seine eigenen Stärken konzentrieren.
„Europa hat eine industrielle Kultur, wir sind die Weltmeister der Maschinen“, sagte die Dänin. „Stellen Sie sich doch die Kombination von Künstlicher Intelligenz mit diesen Maschinen vor, anstatt zu beklagen, warum wir nicht das haben, was die Amerikaner haben.“ Der KI-Entwicklungsprozess stehe erst am Anfang, der Kuchen sei noch nicht verteilt.
Zugleich benannte Vestager selbstkritisch die aus ihrer Sicht größten Versäumnisse der EU in den vergangenen Jahren. „Die größte Herausforderung besteht darin, dass wir zu lange brauchen, um Kompromisse zu finden“, sagte sie.
Mit Blick auf die neue Brüsseler Legislaturperiode und Europas Wettbewerbsfähigkeit sagte sie: „Es hat sich einiges getan, aber ich befürchte, dass wir am Ende wieder die gleichen Fehler machen. Dass wir den Binnenmarkt nicht vervollständigen und dass wir nicht aggressiv genug sind, um Kapital anzuziehen.“
Margrethe Vestager scheidet nach zehn Jahren als EU-Kommissarin voraussichtlich Ende November aus dem Amt. Seit 2014 war sie Europas oberste Wettbewerbshüterin und hatte von 2019 an als Exekutiv-Vizepräsidentin zusätzlich die Verantwortung für die digitale Transformation übernommen. In ihrer Amtszeit hat sie mehrere spektakuläre Wettbewerbs- und Steuerverfahren gegen US-Tech-Unternehmen geführt.
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Margrethe Vestager (Archiv)
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