Schreiben nach Gehör – ein grandios gescheitertes Experiment

Hin und wieder suchen sogenannte nach neuen aufregenden Ideen, die sie für bahnbrechend halten. Schreiben nach Gehör ist eine solche Idee, die jetzt allerdings krachend gescheitert ist, da die Ergebnisse einfach grauenhaft sind. In immer mehr Bundesländern schaffen die Grundschulen das Schreiben nach Gehör wieder ab, in Hamburg und ist es sogar verboten. Pädagogen und sehen mit Schrecken, dass die deutsche Rechtschreibung immer weniger beherrschen. Das Schreiben nach Gehör hat einen maßgeblichen Anteil an diesem Manko.

Wie funktioniert Schreiben nach Gehör?

Kinder, die das Schreiben nach Gehör lernen, verfassen zunächst kleine Texte, die von den Lehrern nicht auf mögliche Fehler korrigiert werden. Diktate sind beim Schreiben nach Gehör nicht vorgesehen. Das hat zur Folge, dass Kinder den Eindruck bekommen, dass richtiges Schreiben nicht so wichtig ist. Ein verhängnisvoller Irrtum, wie die Beispiele aus vielen Grundschulen deutlich zeigen. Besonders kompliziert ist Schreiben nach Gehör, wenn die Kinder aus einer Familie kommen, in der alle Mitglieder einen bestimmten Dialekt sprechen. Für Kinder mit Migrationshintergrund ist diese Methode schlicht unmöglich, um ein gutes Schriftdeutsch zu erlernen. Kinder, die aus einer bildungsfernen Familie kommen, lernen durch Schreiben nach Gehör kaum die richtige Grammatik, da zu Hause niemand ist, der den Kindern die Worte richtig vorspricht.

Probleme im digitalen Zeitalter

Keine andere Generation liest und schreibt so wenig wie die jetzige Generation von Schülern in Deutschland. Viele sind überhaupt nicht mehr in der Lage, vollständige, komplexe Sätze zu bilden. Eine große Schuld trifft das digitale Zeitalter. Statt ein Buch zu lesen, scrollen und wischen die Kinder von heute auf ihrem Laptop und ihrem Smartphone herum. Selbst die Eltern greifen bei der Gutenachtgeschichte immer häufiger zum Tablet als zum klassischen Bilderbuch. Wenn diese Kinder zu Jugendlichen heranwachsen, die ein Bewerbungsschreiben verfassen müssen, dann treffen die digitale Welt und die Realität schmerzlich aufeinander. Auch im digitalen Zeitalter, in dem Sprachassistenten das Sagen haben, legen die meisten Chefs noch großen Wert auf eine ordentliche Grammatik. Gutes Deutsch steht für Zuverlässigkeit, für den Willen, etwas zu lernen und auch für Verlässlichkeit.

Der verzweifelte Kampf der Eltern

Eltern, die noch mit einer „normalen“ Rechtschreibung aufgewachsen sind, sehen sich in einem verzweifelten Kampf gegen das Schreiben lernen nach Gehör. Wie soll dem Kind zum Beispiel das Wort „Zahnarzt“ näher gebracht und ihm erklärt werden, dass das „a“ lang gesprochen wird? Das Kind schreibt dann vielleicht Zaaanartz, wenn die Eltern beim Vorsprechen das „a“ zu sehr dehnen. Verbessern dürfen die Eltern ihren Nachwuchs nicht, denn das, so fürchten besorgte Pädagogen, nimmt dem Kind letztendlich die Freude am Schreiben. Die Eltern verstehen nicht, warum ihren Kindern mit voller Absicht ein falsches Schriftdeutsch beigebracht wird und welchen Nutzen das haben soll. Sogenannte verweisen immer wieder gerne auf die vielen Vorteile, die das Schreiben nach Gehör hat, sie sind besonders um die kindliche Seele sehr besorgt.

Kinder sollen Grammatik lieben

In den weiterführenden Schulen ist das Schreiben nach Gehör kein Thema mehr, dort müssen die Kinder sich an die Regeln der deutschen Rechtschreibung halten. Den Wechsel von einem unbekümmerten Schreiben nur nach Gehör zu einem Schreiben nach Regeln und mit Korrekturen empfinden die meisten Kinder als radikal und als Willkür. Viele verlieren dann schnell die Lust am Deutschunterricht, es kommt zu Frustration und nicht selten sogar zu richtigem Hass auf die Orthografie. Dabei möchten die engagierten Experten, die das Schreiben nach Gehör propagieren, genau das Gegenteil erreichen. Sie möchten, dass die Kinder die Rechtschreibung lieben. Vermutlich gibt es Kinder, die den radikalen Wechsel vom entspannten Schreiben nach Gehör zur normalem Grammatik verkraften, die Mehrzahl der Grundschüler hat jedoch große Schwierigkeiten.

Bloß kein Leistungsdruck

Spielerisch lernen ist das Zauberwort, das Kinder aus dem Kindergarten mit in die Schule nehmen sollen. Natürlich ist es sinnvoll, wenn Kinder spielerisch etwas lernen, aber eben nur bis zu einer bestimmten Grenze. Pädagogen, die meinen, Kinder keinem Leistungsdruck aussetzen zu dürfen, erweisen diesen Kindern damit einen schlechten Dienst. Das Leben ist ein stetiger Lernprozess und ohne Druck geht es nicht. Kinder, die das frühzeitig lernen, kommen leichter zurecht.

Fazit

Schreiben nach Gehör kann und wird auch nicht funktionieren. Eltern, die diesen Blödsinn nicht mitmachen möchten, sollten sich mit Nachdruck wehren und ihren Kindern die Qual ersparen, ein falsches Deutsch zu lernen, was später sowieso wieder korrigiert werden muss.

Bild: @ depositphotos.com / pressmaster

Schreiben nach Gehör – ein grandios gescheitertes Experiment

Ulrike Dietz