EU-Militärführung bezweifelt Rückeroberung aller Gebiete durch Kiew

Brüssel () – Die Militärführung der Europäischen Union hat Zweifel daran geäußert, dass die im gegen Russland alle verloren gegangenen Gebiete zurückerobern wird. “Es bleibt fraglich, ob die volle Souveränität der Ukraine mit den zur Verfügung stehenden Mitteln wiederhergestellt werden kann”, sagte Robert Brieger, der seit Mai 2022 Vorsitzender des Militärausschusses der Europäischen Union (EUMC) ist, der “Welt” (Donnerstagausgaben).


Der Ausschuss ist das höchste militärische Gremium der EU und ihm gehören die Generalstabschefs der 27 Mitgliedstaaten an. Die seit Juni laufende Gegenoffensive der Ukraine habe bisher “noch nicht Raum gewonnen”, sagte der oberste EU- Militär weiter. “Ich wäre auch vorsichtig, einen der ukrainischen Streitkräfte durch die russischen Verteidigungslinien zu erwarten. Die Zahl der Brigaden, die Kiew bei der Offensive zur Verfügung stehen, ist überschaubar. Andererseits hatte Russland über Monate Zeit, dicht gestaffelte und gut abgesicherte Verteidigungslinien aufzubauen.” Hintergrund: Derzeit hält Russland gut 17 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt. Hauptziel der aktuellen Gegenoffensive der Ukraine ist, die von Russland besetzte Landbrücke zur ebenfalls besetzten Krim zu unterbrechen. Dabei wäre insbesondere die Rückeroberung der Stadt Melitipol wichtig, die als Tor zur Krim gilt. Mit Blick auf einen möglichen Ausgang des Krieges, der am 24. Februar des vergangenen Jahres mit einem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine begonnen hat, erklärte Vier-Sterne-General Brieger: “Es bleibt ein Abnutzungskrieg, der derzeit keinen Sieger erkennen lässt. Dass dieser Krieg durch einen militärischen Erfolg der Ukraine beendet wird, wäre wünschenswert, ist aber nicht prognostizierbar.” Der oberste EU-Militär – er hat seinen Dienstsitz in Brüssel, stammt aber aus Österreich – zeigte sich auch überzeugt, “dass Russland den Krieg in der Ukraine noch über einen sehr langen Zeitraum weiterführen kann”. Die militärischen Fähigkeiten Moskaus seien durch die Sanktionspolitik des Westens bisher nicht wesentlich beeinträchtigt worden. Brieger: “Hinzu kommt, dass Russland über eine sehr große Masse an Waffen und ein gewaltiges Reservoir an potenziellen Einsatzkräften verfügt. In diesen Punkten ist Russland der Ukraine deutlich überlegen.” Laut Brieger kommen auf die EU im Falle eines Beitritts der Ukraine in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ganz neue “Verpflichtungen” zu: “Die EU wäre nach einem Beitritt Kiews gemäß Artikel 42,7 des Vertrags über die Europäische Union verpflichtet, die Ukraine im Ernstfall zu verteidigen. Das könnte dann eines Tages durchaus notwendig werden.”

Der General begründete seine Sicht mit den folgenden Worten: “Ich rechne damit, dass auch im Falle eines Friedensvertrags die aggressiven Ansprüche Russlands gegenüber der Ukraine fortbestehen werden. Ein Nachfolger Putins könnte künftig wieder auf die Idee kommen, die Ukraine anzugreifen. Falls Kiew dann Schutz beantragt, müsste die EU das Mitgliedsland Ukraine verteidigen – und das gilt erst , wenn die Ukraine zu dem Zeitpunkt noch nicht Mitglied der Nato wäre.” Artikel 42,7 der EU habe für die Mitgliedsländer einen starken verpflichtenden Charakter, “der aus meiner Sicht sogar ausgeprägter ist als im Fall der Nato-Beistandsverpflichtung gemäß Artikel 5”, sagte Brieger.

Text-/Bildquelle: Übermittelt durch www.dts-nachrichtenagentur.de
Bildhinweis: Flagge der Ukraine (Archiv)

EU-Militärführung bezweifelt Rückeroberung aller Gebiete durch Kiew

Zusammenfassung

– EU-Militärführung zweifelt an vollständiger Rückeroberung verlorener Gebiete der Ukraine
– Robert Brieger, Vorsitzender des Militärausschusses der EU, sieht Abnutzungskrieg ohne erkennbaren Sieger
– Bisherige Gegenoffensive der Ukraine hat keinen Raumgewinn
– Russland kann Krieg lange fortführen mit seinen militärischen Fähigkeiten und riesigem Waffenreservoir
– EU hat im Falle eines Beitritts der Ukraine neue Verpflichtungen in Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Fazit

Die EU-Militärführung bezweifelt, dass die Ukraine alle verlorenen Gebiete im Krieg gegen Russland zurückerobern wird. Sie gibt an, dass die Zahl der Brigaden auf ukrainischer Seite überschaubar ist, während Russland über Monate Zeit hatte, gut abgesicherte Verteidigungslinien aufzubauen. General Brieger betont, dass es sich um einen Abnutzungskrieg handelt, bei dem derzeit kein Sieger absehbar ist. Sollte die Ukraine in die EU eintreten, hätte die EU gemäß Artikel 42,7 EU-Vertrag die Verpflichtung, das Land im Ernstfall zu verteidigen.

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